Der Reigen

 

 

Direkte Bürgerbeteiligung.

 

Zum Artikel „Stück China im Welterbe“ vom 8./9. Oktober 2016, Fränkischer Tag

 

  Eine um ihr Welterbe bemüßigte Stadt stemmt sich nachhaltig gegen den Makel des undankbaren Provenzialismus mit der pflichtgemäßen Schützenhilfe exaltierter Pressestimmen. Mit Erfolg. Die Inthronisation einer Kunstinstallation aus Fernost schafft die Verklärung des Objektes „Rote Scheißerla“ vom volksnahen „chinesischen Krempel“ und „teuren Blödsinn“ zur „bitter-ironischen Brechung zwischen Gegenwart und Rückbesinnung auf Traditionen“, so die Expertendeutung.

  Ob es an der tags zuvor veröffentlichten Analyse des chinesischen Wahlbambergers lag, der die Verbindung des fernöstlichen Hockens mit der - dem Deutschen wesensfremden - Motivation zur Faulheit, willentlichen Bequemlichkeit oder der Nichtbeachtung von Regeln und Disziplin assoziierte, dass dies die geladene Politprominenz auf dem Pressefoto einvernehmlich mit süß-saurer Mimik quittierte, verweist eher auf die chinesische Tugend des „passiven Erduldens“.

  In der Tat haben sich die stadtgestalterischen Autokraten bislang redlich bemüht, die gründerzeitliche Geschlossenheit des Schönleinsplatzes schrittweise seiner spießbürgerlichen Verstaubtheit zu entreißen und der weltoffenen Moderne zu erschließen. Der harrende Prinzregent, hoch zu Ross als ausgedientes Relikt einer verlorenen Zeit, blickt sehnsuchtsvoll in Richtung Wilhelmsplatz....

  Zwischen Gefängnisportal und Gotteshaus lässt ein antiker Gott der Schönheit und der Künste mit seinem, vom reichlichen Rauchbiergenuss geröteten Schädel, in einem lichten Moment der Selbsterkennung panisch seine Leier fallen und verhüllt sein Antlitz vor Scham.

  Eine Stadt setzt Akzente; ob Röhrenbrunnen und Winkler Möblierung, die multifunktionelle Leere eines Platzes ohne Aufenthaltsanreiz mit deklariertem Bestandsschutz als „Platz mit viel Platz“, die Weiterentwicklung kleinbürgerlicher Idylle zur zeitgemäßen Ödnis in den Theatergassen, die seelenlose Entfremdung einer Klosterkirche zur Aula mit Flughallencharme, der von entrückten Eliten usurpierte öffentliche Raum: alles das sei als auszuhaltendes Zugeständnis an die neue Fortschrittsgläubigkeit dem ignoranten Bürger wohlwollend angediehen! Und was kommt noch?

  Der sich immer mehr in die Abschätzigkeit entsorgt fühlende Bürger reagiert resignierend auf die Übermacht des medialen Mainstreams oder postiert Zeichen seiner Empörung mit unartikulierten Provokationen, Vermüllung und sinnlosem Vandalismus im direkten Umfeld böttinger’schen Schaugepränges.

Setzt hier der Geist, der stets verneint, der schaffenden Gewalt die kalte Teufelsfaust entgegen?

  Für einige leider wohl die einzig verbleibende Form direkter Bürgerbeteiligung.

Schade.

25. Oktober 2016