Heimat, deine Sterne

  

  Es müssen nicht immer Themen von universellem Interesse sein, die einen Autor zu seinen Verlautbarungen animieren. Auch er ist ja irgendwo in seinem Umfeld geographisch verortet, und es sind kontrovers zu erörternde Inhalte, die hier entstehen, ihn konfrontieren und zur Stellungnahme herausfordern. Nicht selten sind dies sogar Angelegenheiten grundsätzlicher Natur, die in gleicher oder ähnlicher Form überall zur Debatte stehen könnten. Mitunter sind es geradezu banale Kernsätze, die aber bei näherem Hinsehen durchaus Denkanstöße auslösen können. Geniale Ideen pflegen ja in der Regel einfach zu sein.

   Hier am Beispiel meiner Heimatstadt Bamberg: Merkspruch des Tages vom 16. April im FRÄNKISCHEN TAG, diesmal von meinem Jugendidol Louis Armstrong:

 

   „Tu nie etwas halb, sonst verlierst du mehr, als du je wieder einholen kannst.“

 

   Ganz einfach. Und da wäre noch die konfuzianische Maxime, dass es keinen Sinn macht, Pläne zu schmieden, wenn man sich über das Grundsätzliche nicht einigen kann. Doch warum handelt man im kommunalen Miteinander unter urteilsfähigen (?) Entscheidungs-trägern  oft so ganz anders bzw. gar nicht?

   Um es vorab klarzustellen: Es soll hier nicht alles schlecht geredet werden, was in dieser schönen Stadt geschieht. Vieles ist gut, manches sehr gut. Dennoch tritt an den immer wiederkehrenden, gleichen Konfliktherden eine latente Misere erschreckenden Unvermögens zutage. Einige Beispiele:

   1. Verkehrspolitik. Der festgeschriebene status quo hat bislang kein einziges Problem gelöst, wenn man von der Genugtuung der Kontrahenten absieht, dass auch den jeweiligen Gegenpositionen keine Zugeständnisse gemacht wurden. Ergebnis: Es passt hinten und vorne nicht. Die Konzeption einer früheren, zukunftsorientierten Stadtplanung wurde zwar erstellt und initiiert, aber dann unvermittels nach lautstarken Protesten selbsternannter Gutmenschen abgebrochen, ohne Rücksicht auf die Folgen. Für die Stadt unverzichtbare Teilbereiche (Kliniken, KHG, Rettungsdienste, Innenstadt, Berggebiet u. a. leiden seitdem permanent unter den Bewandtnissen – und keine Lösung in Sicht! Viel Geld bislang für nix. Und Ärger ohne Ende.

 2. City-Passage/Quartier an der Stadtmauer. Ein zähes, ökonomisches Nullsummenspiel wie hoffnungsloses Unterfangen in fantasielosem Gewand. Des einen Gewinn ist des anderen Verlust. Einziger Lichtblick soweit in einem unsäglichen Gezänk um falsch verstandenen Denkmalschutz und einer allseitig um sich greifenden Selbstmaximierung: die Diplomarbeit einer Architekturstudentin. Jüdisches Museum, Ruheinseln, einige Läden, Kleingastronomie, Wohnungen. Denkbar auch wäre eine integrierte Kleinmarkthalle für die Marktbeschicker als wetterunabhängiges Ganzjahresrefugium mit ergänzendem Delikatessenangebot.

   3. Untere Mühlen. 68 Jahre nach Kriegsende als klaffende Wunde im Welterbe eine Blamage für die Stadt insgesamt. Das ergebnislose Gerangel um die Ausgestaltung endete in einem verordneten Moratorium, wobei die öffentliche Empörung über eine preisgekrönte Architekturvorlage und deren avisierte Umsetzung noch als Erfolg zu verbuchen wäre. Doch wo ist das Problem? Ein Teil des historischen Ensembles wurde durch Kriegseinwirkungen zerstört bzw. beschädigt. Der Wiederaufbau (original, nicht „historisierend“) als logische Konsequenz – in zahlreichen, ähnlich gelagerten Fällen andernorts erfolgreich praktiziert – diente so mit bürgernaher Akzeptanz der Vervollständigung einer einmaligen, historisch gewachsenen Szenerie anstelle einer avisierten und unwiderruflich provokanten Verfremdung bzw. dem derzeitigen Eingeständnis eigenen Versagens.

   4. Ödnis Maxplatz. Die einmal von einem Bamberger Stadtbaumeister herausgegebene Binsenwahrheit „Ein Platz heißt Platz, weil er Platz hat“, sorgt für unaufhörliche Diskussionen um den fragwürdigen  Sinngehalt einer sinnlosen Aussage. Geschäftsinteressen und Wohnansprüche stehen unversöhnlich gegeneinander. Schuld daran ist der „Platz“ als solcher, entstanden durch den Abriss von Alt-St. Martin ohne „gewachsene“ Fundierung als öffentlicher Tummelplatz für Großereignisse. Nun ist es nicht so, dass diese Stadt keine Alternativen für einen ebensolchen hätte, der der Nichtbeeinträchtigung von Anwohnern weit besser Rechnung tragen könnte. Volkspark, Jahnwiese, zukünftiges Plärrergelände etwa. Auch die bevorstehende Konversion eröffnet hier denkbare Möglichkeiten.

 

Der Umbau des ansonsten trostlos wirkenden Platzes durch die Anlage von schattenspendenden Baumreihen, Ruhebänken, einem bereits angedachten Pavillon sowie flankierender Kleingastronomie (Ratskeller) eröffnen reizvolle Perspektiven für eine lebendige Oase im Herzen der Stadt. „Bamberg zaubert“ könnte hier ebenso wie jede Form von Kleinkunst eine attraktive Heimstatt finden.Die inzwischen verschlissenen Argumente vom Ausbluten des innenstädtischen Einzelhandels durch angeblich fehlende Parkplätze sind längst widerlegt. Bambergs Herz schlägt nicht am Laubanger, sondern in seiner unvergleichlichen Altstadt. Die Bürger indessen sind gut beraten, die Zukunft ihrer Stadt nachhaltig zu gestalten. Eine Alles-oder-Nichts-Strategie beschert in der Regel – nichts. Allseitige Profitgier verdrängt dazu konsequenterweise und schleichend sowohl Kleinunternehmer wie Altbürger aus der Innenstadt zugunsten von Kettenläden und wechselfreudigen Mietern auf Zeit, die mit den lebendigen Traditionen dieser liebenswerten Stadt wenig im Sinn haben. Und es sei den Bürgern ans Herz gelegt, kritisch zu prüfen, was sich da verändern will.

Noch ein Merkspruch aus dem FT-Journal: Achte auf das Kleine in der Welt, das macht das Leben reicher und zufriedener. Mit wie wenig Sensibilität dies geschieht und wie blindes Vertrauen in ein abstraktes „Management“ zum Wohle des Ganzen ins Abseits führt, mag der tägliche Anblick auf die verbliebenen Altlasten jener verirrten Prof.-Winkler-Meublierung unserer Kernstadt zeigen: Die desolaten Straßenlaternen sind eines Welterbes unwürdig. Bamberg hätte Besseres verdient...                             

27. Mai  2013