Sarrazinade

                                                                                                               Jerome Jacinto

 

   Ein Buch beschäftigt die sich möglicherweise selbst abschaffende Republik, schreckt eine selbstzufriedene Wohlstandsgesellschaft auf, die sich in ihrer Befindlichkeit häuslich eingerichtet hat und hinterlässt einen aufgeregten Hühnerhaufen im Politikgetriebe. Dabei ist es doch eher die Politik selbst, die sich zugunsten der Gerichtsbarkeit selbst abzuschaffen im Begriff steht.

   Nein, es sei hier nichts mehr zum eigentlichen Thema des Anstoßes geäußert; das wurde bereits zur Genüge strapaziert. Doch auf einige Merkwürdigkeiten sei hingewiesen. Wir nehmen zur Kenntnis, dass unsere europäischen Nachbarn sich darüber verwundern, was uns hierzulande als Problem dünkt und wie wir damit umgehen zu müssen vermeinen. Dabei wird gerade durch die von der Wortabschnei-derpartei so aufgeregt verteufelte These vom angeblich genge-steuerten Volkscharakter der Verdacht befeuert, dass da trotz allem etwas daran sein könnte.

   Vorverurteilungen, Mangel an Gelassenheit und dem Sinn für Humor zeugen eher von einem wenig souveränen, unverkrampften Verhältnis zur Meinungsfreiheit, allerdings jedoch von einer barbarischen Gesprächskultur. Typisch deutsch? Plakative Pauschalierungen sind nie sonderlich gescheit und kaum hilfreich, jedoch für viele durchaus „reizvoll“.

 

   Die Orientalen sind ein gescheites Volk, sie verehren einen Verrückten

wie einen Propheten, wir aber halten jeden Propheten für verrückt.

 

   Das schrieb vor etwa 180 Jahren ein deutscher Dichter und Journalist, dessen Schriften hierzulande zeitweise verboten wurden und der es vorzog, bis zu seinem Ende im Land des seinerzeit oft geschmähten „Erbfeindes“ zu leben, wo er denn auch seine letzte Ruhe fand. Immer wieder verfemt bei seinen Landsleuten, hat man ihm den Einzug in die heiligen Hallen der Walhalla verweigert, obwohl sein Werk zum Besten zählt, was die deutsche Literaturszene hervorgebracht hat. Die Anfangszeilen seines wohl bekanntesten Gedichts lauten:

 

   Ich weiß nicht, was soll es bedeuten, dass ich so traurig bin…