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  Die Absicht, sich einem - wenn auch "streng limiterten" - Publikum publikumswirksam zu präsentieren, bedarf zuvor eingehender Überlegungen, über die man sich beim Reifen einer solchen Idee vorab wenig Gedanken macht. Erst im späten Nachhinein, also wenn der Anfang bereits gemacht ist, stellen sich Fragen nach dem Wie und Warum. Will man eine Fassade aufbauen? Kein schöner Gedanke. Aber gibt man dabei nicht auch seine Unvollkommenheit und seine Widersprüchlichkeiten preis?

  Es ist eine anfangs ungewöhnliche Erfahrung, sich selbst mit den Augen anderer Zeitgenossen sehen zu wollen - ohne zu wissen, ob man dabei einem Irrtum erliegt. Aber dann obsiegt die Unverfrorenheit, alles das diesem Publikum dennoch zuzumuten und sich dem Urteil zu stellen. Was zurückbleibt, ist die uralte Mär von einem der auszog, die Welt zu retten, und im günstigsten Fall aber nur ein wenig zu ihrer Unterhaltung beitrug...

  Hierzu präsentiere ich neben Auszügen aus meinen literarischen Texten eine Auswahl an Bildern aus meinem künstlerischen Schaffen.

 

Medea
Medea

 "Sinnieren über die Zeit. Wie ein Strom fließt sie dahin, unaufhörlich, unaufhaltsam. Was ist Zeit eigentlich? Physikalisches Kriterium, unverzichtbare Messeinheit für tägliche Abläufe, unbarmherziges Menetekel unserer Existenz, Alibi für den Begriff der Ewigkeit oder gar eine Illusion? Was ist Zeit? Gibt es die überhaupt? Es soll Natur-völker geben, die den Begriff Zeit nicht kennen und auch kein Wort dafür haben. Ist nicht Gegenwart, das Hier und Jetzt das einzig Reale? Oder ist es etwa so, dass Dinge, die einmal da waren, in einer Art von kosmischer Gleichzei-tigkeit immer noch da sind, hier im Raum, dass um uns herum all die Stimmen da sind, tief in uns, dass nichts verloren geht, dass jeder Moment eben gerade gegenwärtig  ist..."

Aus Tage im Wind

 

  Die immer wiederkehrende Heraus-forderung, sich zu konsensfähigen Beschlüssen hinarbeiten zu müssen, sollte wohl mit diesen Erkenntnissen zumindest leichter angegangen werden können. Doch hier zeigt sich wiederum ein neues Problem. Dürfen wir überhaupt jemals mit der universellen Verbreitung (und Verinnerlichung) derartiger Einsichten rechnen? Zweifel sind angebracht. Doch selbst wenn dem so wäre: Die Tendenz zu kooperativem Zusammenwirken ist nach wie vor in unserer Gesellschaft mangelhaft ausgeprägt. Zu unterschiedlich sind Befindlichkeiten und Interessen. Die Verhandlung all der Ungleichheiten mit ihren unberechenbaren negativen Begleiterscheinungen und  Wirkungen

wird jedenfalls auf unabsehbare Zeit unseren Umgang miteinander weiterhin maßgeblich bestimmen. Schicksal oder                                 Das große Welttheater

Auftrag? Mal ganz ehrlich: Was haben

wir nicht alles schon glauben sollen! Und wie wenig haben wir tatsächlich gewusst?

Aus Medeas Erben

 Das Moratorium

Wohin dieser Mensch in bewegter See auch auf seinem selbst gezim merten Floß steuert, sei es, dass ihm darauf der Zufall oder auch seine Klugheit ein angenehmes Leben beschert hat: Er lebt einen Traum, aus dem er erwachen müsste, um zu erfahren, dass ihn inmitten seiner Behag-lichkeit doch nur eine flüchtige, aber nichts-destoweniger insis tierende Täuschung narrt. Doch nichts wirkt so zerstörerisch, wie die aufkommende Gewissheit, dem finsteren, empfin-dungslosen,  unpersönlichen und gleich-gültigen Wirken eines unabänderlichen Zeit ablaufs hilflos ausgeliefert zu sein.

Und dennoch: Auch nichts tröstet so effektiv über das unausbleiblich aufkommende Gefühl einer unbestimmten, unentrinnbaren Verlassenheit hinweg, als die Vertrautheit einer mitfühlenden Seele, der man sich im Gesprächohne Angst offenbaren darf. Und wenn es die eigene ist.

 

Aus Medeas Erben

 

Das Wanderschattenspiel
Das Wanderschattenspiel

"Die ungeschminkte Wahrheit als unanfechtbares, universell gültiges Absolutum ist nicht nur eine undefinier-

bare Utopie. Eine auf Gemeinschaftssinn und Menschlichkeit basierende Gesell-schaft kann sich ein solch apokalyp-tisches Monstrum überhaupt nicht leisten, ohne daran zu zerbrechen...

   Die Verdrängung der "Wahrheit" ist zweifellos ein durchaus humaner Wesenszug unserer Spezies...

Man überlege: Ist es nicht meist so, dass eine wohlgemeinte Lüge ein anspruchvolleres moralisches Wahrheitsempfinden erfordert als die Wahrheit selbst?

Nirgendwo wird so viel gelogen, wie bei der Verkündung von Wahrheiten..."

    Aus Im Reigen der Einheitsfliegen

 

Blattschuss
Blattschuss

 "Diese Augen! Niemals hätte er sie beschreiben können, nein, es hätte wohl den Ergüssen eines liebestollen Poeten aus einer psychiatrischen Anstalt bedurft, um diesen Augen auch nur annähernd gerecht zu werden! Und doch wäre wohl keine Sprache der Welt dazu im Stande gewesen. So soll es denn damit sein Bewenden haben, dass ein Blick aus solchen Augen bis in die innerste Herzkammer drängt und - knacks! Man ist verliebt..."

 

  Aus Im Reigen der Eintagsfliegen

 

Le Papillon
Le Papillon

 "Wir Mitteleuropäer sind es gewohnt, die Dinge einzuordnen. Von vorne nach hinten, von oben nach unten, von Norden nach Süden. Unser Stephansberg ist der südlichste der sieben Bamberger Hügel. Wenn ich ihn nun als "Siebten Hügel" apostrophiere, so soll dies keine Bewertung und keine Rangordnung darstellen.

Im Gegenteil! Es ist ja auch der "Siebte Himmel", dem sich unsere ganze Begehrlichkeit vorzugsweise zuwendet..."

 "Alles ist im Fluss. Gleicht nicht der ganze Lebenszyklus einer Flussfahrt. die - zwar mit festem Ziel angetreten - sich gegen das Ende hin im Ungewissen verliert und sich so als Selbstzweck offenbart? Bewegend und auch spannend, fordernd und versöhnlich zugleich.

Und schön allemal.

 Et in elysium ego."

Aus Der Siebte Hügel

 

    "Mich bedrückt eher doch das Phänomen eines zur umfassenden sozialen Macht heranwachsenden Typus Mensch, der ohne Ziel dahinlebt und sich von den Winden treiben lässt. Aber es ist nicht nur allein dieser Menschentypus, der sich auf der Welt herumtreibt, um das zu tun, worauf er gerade Lust hat. Es sind da noch die Nutznießer eines neuen Prototyps von "Masse", die nur darauf abzielen, möglichst umweglos zu herrschen..."

Aus Herbstblätter

 

Traumstadt
Traumstadt

 "...So geht's halt zu auf  dieser Welt:

  Man sucht  sich's aus, grad wie's gefällt.

  Sind wir denn Blinde unter Blinden,

  Weil Fragen keine Antwort finden?

  Die Position bleibt unbeliebt:

  Das da was sei, was es nicht gibt.

  Die Köpfe rauchen drob auf Erden.

  Ach, Leute, überlasst's den Pferden!"

 

  Aus Erntezeit

 

Szenerie
Szenerie

 "Da die Welt nun einmal so ist, wie sie ist, egal ob in ihrem physischen Zustand oder in ihrer idealisierten Apotheose, kann sie unmöglich von Gott geschaffen worden sein. Auch nicht vom Teufel, selbstverständlich, denn so schlecht ist sie auch wieder nicht..."

Aus Herbstblätter

 

 "...All unser Denken ist unmittelbar an die Sprache, das heißt unser Sprachvermögen gekoppelt. Wir haben jedem sprachlichen Begriff eine Bedeutung zugeordnet, aber mit jeder Festlegung sind auch dessen Grenzen festgelegt und daraus wiederum folgt, dass es darüber hinaus auch etwas geben muss:  Das Gegenteil..."

Aus Im Reigen der Alltagsfliegen

 

Porträt Kate W.
Porträt Kate W.

"...Es sind jene seltenen Momente, die uns mit einem leisen Hauch von Ahnung an den Rand einer  anderen, vielleicht bedeutenderen Wirklichkeit führen, uns jedoch grausam das tiefere Eindringen verweigern. Schnell ist der Zauber zerstört; ein Geräusch, ein verirrter Gedanke genügt jeweils, uns ungewollt in unsere vertraute, nüchterne Alltagswelt zurück zu versetzen. Und danach bleibt denn auch das enttäu-schende Erwachen aus einem viel versprechenden Traum, einer aufregenden Entdeckungsreise in das Innere einer so nicht greifbaren Wirklichkeit - ewig unerreichbar. Und die Hoffnung, das Unmögliche doch noch zu erfahren, zu verstehen: den Begehr des herumirrenden Wotan, des ewigen Wanderers, der hierfür ein Auge zu opfern bereit war."

 

Aus Im Reigen der Eintagsfliegen

Feuer
Feuer

 

"...Helden bin ich auf der Reise nirgends begegnet. Die gediehen nur dort, wo Fantasie das Wissen ersetzen musste. 'Zeig mir einen Helden', provo-zierte uns seinerzeit der amerikanische Schrift-steller F. Scott Fitzgerald, ,und ich werde dir eine Tragödie schreiben.' 

   Ich sah Streben und Streit, Leidenschaft und Verzweiflung, Auflehnung und Eitelkeiten, Irrungen und Illusionen, harten Überlebens-kampf...und die Würdelosigkeit der Unterlegenen, unentrinnbar eingefangen in einer von Gier und Angst dominierten Welt.

   Halt - da wäre ja noch die Wahrheit!

Aber welche Wahrheit? Hat die etwas mit der Zahl derer zu tun, die von ihr überzeugt sind? Je mehr, desto wahrer?

  Wahrheit! Tochter der Zeit, wohlfeile Hure. Wer wird dich als nächster beanspruchen? Und doch: Jeder Irrtum bringt uns dir näher."

Aus Tage im Wind 

 

Terra
Terra

 "...Die Abhängigkeit unseres gefühlten Seelenlebens von unserer Sprache müsste erschrecken, wenn man bedenkt, dass uns niemand glaubhaft nachweisen kann, dass Sprache überhaupt im Stande ist, Wirklichkeit wiederzugeben. Trotzdem ist es ein schöner Gedanke, von einer gnädigen Natur im Verlauf seines Lebens immer wieder befragt zu werden, ob man genug hat, ob man aussteigen möchte. Wir haben diese Freiheit.

  Wenn eine lieb gewonnene, gewohnte Welt sich in unserem Lebenswillen kundtut, dann wird auch unsere Abneigung gegen das Nichts verständlich, denn wir kennen nichts anderes als diese unsere persönliche Wahrnehmung. Mit der Verneinung des Lebenswillens, der endgültigen Absage an Ratlosigkeit, an nie befriedigte und nie erlöschende Hoffnungen, an Wünsche, an Ängste, an Freud und Leid, kann am Ende endlich jener Friede einkehren, jene Ruhe, Zuversicht, ja Heiterkeit, die jede Vernunft überstrahlt. Es ist dieses Bekenntnis zur  freiwilligen Aufgabe des Lebenswillens, das allein dauerhaft zu trösten vermag. Das zerfließen im Nichts als letztes Ziel bedeutet freilich dem lebensbejahenden Menschen - nichts, ebenso wenig wie die gesamte Realität dem also Resignierenden ebenfalls nichts mehr bedeuten kann.

  Meine Entscheidung, ob ich nun hienieden mit der Vorstellung von der Endlichkeit des Seins besser zurecht komme oder aber lieber mit dem Glauben an ein ewiges Dasein meines Lebens froh werde, die sollte mir keiner abnehmen wollen."

 

Aus Herbstblätter

 

Requiem für einen Freund
Requiem für einen Freund

 

 

   Seelenwanderung

 

Du sanfte Elfe, die du so leichthin fliehst,

Freund und Gefährte dieser handvoll Staub,

Der du für eine zeitlang Leben liehst,

Das bald zu Boden fällt wie totes Laub;

Wenn dich dann deine Schwingen tragen

Zu einem fernen, unbekannten Ort:

Nicht unbeschwert, wie einst an  Freudentagen

Doch bleich und einsam trägt es dich hinfort.

Aus Zwischen Tag und Traum 

 

In den Lüften
In den Lüften

  "...Gedankenspiele können alles sein: kreativ, dümmlich, an- und aufregend, erleuchtend, ermüdend, genüsslich, abstoßend, hilfreich, unterhaltsam oder was auch immer. Sie sollten aber als eben- solche vorgetragen und auch verstanden werden. Gefährlich wird es, wenn Hypothesen durch Etikettenschwindel zu verkappten Zwangsjacken verkommen und Wahrheiten deklariert werden, die den Nachweis schuldig bleiben. Bleiben müssen! Die Hinter-lassenschaften von Missionaren, Eiferern und Gottes-kriegern aller Couleur füllen die Geschichtsbücher seit Anbeginn der Aufzeichnungen.

  Segen oder Fluch: Die ewige Suche nach der Einswerdung mit dem Geiste, dem Quellgrund allen Seins, der Ewigkeit und allen Daseins im Bereich von Zeit und Raum wird suchende Geister ewig beschäftigen. Seine Vollendung wird der Mensch wohl dennoch nur in seinem alltäglichen Leben finden, in einfachster Form und ohne mysteriöse Gesten. Begnügen wir uns also damit anzuerkennen, dass unsere gewohnte Art, die Dinge zu sehen, nicht die einzig mögliche ist. Es mag uns auch trösten, dass wir niemals einen Zustand einnehmen werden, der uns die Erkenntnis gestattet: Jetzt bist du tot! Auch dies ein (realistischer) Zustand von Unsterblichkeit...

  Vielleicht sollten wir wieder lernen, wie die Kinder zu denken.

Aus Herbstblätter 

 

Scharade 2007
Scharade 2007

"...Es muss indes aber keineswegs die Freude an den unvermuteten Entdeckungen beim Stöbern in alten Büchern herabmindern, wenn sich innerlich der Verdacht regen sollte, der eigenen Zeit unbemerkt zu entgleiten. Vielleicht ist es in der Tat eine stille Sehnsucht nach jenem sagenhaften Utopia, jenem Kythera, das es eigentlich geben sollte, dessen Vorstellung uns aber immer wieder narrt. Oder uns von Zeitgenossen abspenstig gemacht wird. Vielleicht findet man es ja dort dennoch zwischen zwei kunstvoll gestalteten Buchdeckeln, wo es uns für ein paar kostbare Momente Asyl gewährt auf unserer Reise..."

 

Aus Herbstblätter

 

                                                Mit der Zeit

 

       Endlos, scheint es, ist unsre Zeit:              Doch endlos scheint sie nur indessen!

      Wir können über sie verfügen                   Wir leben so, vom Tag geblendet,
      Ganz nach Belieben, meinen wir;             Als ob die Zeit nicht existent -

      Das will erst mal genügen.                        Weil wir nicht wissen, wann sie endet.

            Aus Erntezeit

 

Und nun?
Und nun?

"...Doch wie frei ist unser Geist wirklich? Wenn er denn tatsächlich keiner Begrenzung unterworfen ist, warum kann ein banales Naturereignis unseren Gemütszustand so stark beeinflussen?

   So scheinen den zwei Welten mit unserer Seele zu ringen; mal dominiert die eine, mal die andere. Scheinbar unvereinbar, bilden sie doch gleichermaßen das Material, aus der sich unsere Wesensart entwickelt und heranreift. Erst in beiden Hälften nicht das Widersprüchliche zu sehen, sondern das Ergänzende, heißt den komplizierten Organismus Mensch, der sich da eine Seele zutraut, zu begreifen und nacherleben zu können. Der Hindernisse, die sich diesem Prozess in den Weg zu stellen belieben, sind indessen gar viele...

   Abert das wissen wir ja. Oder?"

Aus Im Reigen der Eintagsfliegen

 

                                                       Auf der Welle

Wasser
Wasser

    

 

     Mal auf, mal ab, mal her mal hin

     Treib ich dahin im Schicksalsmeer;

     Himmel und Wolken um mich her,

     Mich fragend, wo ich denn jetzt bin.

     Hinter mir liegt die Ewigkeit,

     Vor mir dehnt sich Unsterblichkeit;

     Ich treibe hilflos mittendrin.

 

     Bin Komma nur in dem Gefüge,

     Das sich da zu verlauten wagt

     Und eine Antwort sich erfragt,

     Erwartend, dass sie mir genüge.

     Was immer auch erklärbar sei,

     Wär trotzdem nie von Zweifeln frei

     Und höchstwahrscheinlich Lüge.

 

Den Tod - ein Nebel, angeweht,

Vertreibt der lieben Sonne Strahl,

Verzehrt ihn ein ums andre Mal

Bevor sie wieder untergeht.

Was alle Wahrnehmung erfährt,

Was Zweifel und auch Hoffnung nährt:

Ob's droben in den Sternen steht?

 

Zeitlos sei dort die Monarchie,                       Bin ganz umgarnt von Wundern schier

Die dieser Welt soll folgen.                              Wenn ich mich so betrachte:

Dort, im Gedünst lichtblauer Wolken           Wohin die Woge mich auch brachte,

Herrsch' sie als ew'ge Dynastie,                    Blieb ich doch stets im Jetzt und Hier;

Die wechselnd in sich selber ruht                 Gewahr die Nacht in Süd und Norden,

Und sich stets neu erfinden tut                     Der Zeiten Wogen allerorten

Als göttliche Kopie.                                            Und Sturm am Himmel über mir.

       Aus Erntezeit

 

Es ist somit nicht verwunderlich, wenn uns ein Grausen packt, sobald wir durch Zufall mit einer Erschei nung oder einem Ereignis konfrontiert werden, dessen ursächliche Entstehung wir nicht kennen. Wir sehen dieses dann als Ausnahme zu der von uns anerkannten Ordnung, als etwas, das ohne für uns erkenn bare Ursache entstanden ist. Wer sich also ausschließlich in seiner kleinen, mühsam zurecht gebastelten Welt abgeschottet hat, wird über die Erkenntnis, dass es ganz offenbar auch Ausnahmen zu diesem eigenen, verinnerlichten Credo gibt, Unbehagen, ja vielleicht sogar Entsetzen verspüren, und er wird daran irre. Er hat nicht verstanden, dass er nur an der Erscheinubngsform dieser neuen Konfrontation verzweifelt, ihm das eigentliche Wesen der Dinge jedoch verborgen geblieben ist.

Aus Medeas Erben

Im Spiegel

  

So ist’s nun mal: man sieht sich täglich                    Ich frag mich, war das immer so,

So im Vorbeigehn, hastet fort.                                 Dass man einander grußlos flieht?

Der Umgangston ist schlicht unsäglich:                 Warum bin ich denn dann nicht froh,

Man würdigt sich mit keinem Wort.                        Wenn man sich also täglich sieht?

                                                                

Dabei sind wir so eng verbunden,                           Schaut mich da gar ein Fremder an,

Gefährten gar auf Lebenszeit,                                 Blick ich bewusst nun in den Spiegel?

In schönen, wie in schweren Stunden,                     Gebrochen sein soll jetzt der Bann,

Im Schmerz wie in Glückseligkeit.                           Gelöst sein muss der Seelenriegel!

 

 

Der mich da anschaut, bin das ich?                         Dieses Gesicht, wo kommt es her?

Oder ist’s nur ein Futteral,                                       Welche Gedanken hegt die Stirn

Das mich mit einem Bild verglich,                           Bei meinem Anblick wohl? Und wer

Wie’s mir die Eitelkeit empfahl?                               Sucht mich da derart zu verwirr'n?

 

Die Konfrontation war überfällig:                           Mein Konterfei: Ist's Selbstbetrug?

Hab’ mit mir selbst nicht Schritt gehalten!              Bin ich mir selbst-entfleuchtet?

Die Reaktion zeigt mir einhellig:                             Wer andre kennt, den heißt man klug,

Wir sind zwar eins, und doch gespalten.                  Doch wer sich selbst kennt, ist erleuchtet.

 

                                  Doch nein! Vor mir ist mir nicht bange.

                                  Bin bei mir selbst jetzt angekommen.

                                  Ich schau in diese Augen lange

                                  Und heiße mich bei mir willkommen.

 

Aus Erntezeit

 

                                  Guter Rat

Traumwelten
Traumwelten

An weisen Sprüchen gibt’s gar viel

Auf dieser schönen Welt:

Danach solltest du arbeiten

Als bräuchtest du kein Geld.

 

Auch dünkt es mir ein guter Rat,

Geläng’ es dir, zu lieben,

Als wäre dir jegliches Leid

Daraus erspart geblieben.

 

Und was das Tanzen anbelangt,

Selbst wenn die Jugend flieht,

Sollst du’s aus vollem Herzen tun,

Als ob dich keiner sieht.

 

Beim Singen ist’s grad ebenso,

Wenn es auch sonst dich stört:

Singe voll Inbrunst grad heraus,

Als ob es niemand hört!

 

Fürs Leben gilt es dann erst recht,

Es macht genug Beschwerden!

Drum lebe grad, als sei's schon da:

Das Paradies auf Erden!

Aus Erntezeit

 

Lucy's Traum
Lucy's Traum

   Was aber ist Vernunft? Lässt sie sich wissenschaftlich erklären? Dem scheint entgegen zu stehen, dass die Vernunft uns die Dinge nicht gerade selten so sehen lässt, wie sie augenscheinlich nicht sind. So ist auch verständlich, wenn sie im Streit mit leidenschaftlichen Gefühlen meist den Kürzeren zieht. Peinigt sie nicht oftmals das Herz, ohne es zu überzeugen vermögen? Liegt es danach nicht nahe, gerade in vernunftbegabtem Handeln dann einen Verstoß gegen die Natur zu argwöhnen? Dem, der sich dieser Sichtweise verpflichtet fühlt, muss eine Vernunft als abscheulich daherkommen, die sich seinen Ansichten entgegenstellt. Hier steht die Vernunft gegenüber der Narrheit auf verlorenem Posten; beide sind nicht untereinander verhandelbar.

   Trägt also die Vernunft zum Glück des Menschen bei? Sie muss zwangsläufig dort versagen, wo sie über gewisse Neigungen der Menschen keine Rechenschaft abzulegen vermag. Gedrängt in die Rolle einer Analytikerin des Glaubens, wird sie es zeitlebens schwer haben, sich durchzusetzen. Wohl am erfolgreichsten wird sie wohl dort verstanden, wo sie still und verkleidet durch die Basare dieser Welt wandert wie weiland die Kalifen aus Tausendundeiner Nacht.